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Betonwüste adieu – So kommt Licht ins Dunkel

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Die Zeiten, in denen Beton im Bauwesen einfach nur als praktisch, „schnell angerührt“ und unverwüstlich galt, sind längst vorbei. Was in den 70ern vor allem in den neuen Bundesländern in rasantem Tempo in so ziemlich allen Städten aus dem Boden gestampft und als heiß begehrte Wohnstätte gehandelt wurde, will heute keiner mehr so richtig haben. Der typische Plattenbau wirkt oft grau, trist und kalt und traf heutzutage vielerorts eher auf die Abrissbirne als auf eine umfassende Sanierung.

Doch der einfache Baustoff Beton erlebt dieser Tage eine Renaissance. Was vor allem in Kreisen des Interior Designs als „Industrial Look“ vermarktet wird, kann nämlich viel mehr als einfach „nur“ robust und kühl sein – Licht durchlassen zum Beispiel.

 

Entdeckt hat das Lichtspiel in der festen grauen Masse bereits Anfang 2000 der ungarische Architekt Áron Losonczi. Für seine Abschlussarbeit experimentierte er mit verschiedenen Materialien und Werkstoffen, als ihm bei der Verarbeitung von Glasfaser und Beton sprichwörtlich ein Licht aufging. In diesem Moment hatte Losonczi lichtleitenden Beton erfunden. Inzwischen stellt der Ungar diesen unter dem Namen LiTraCon, was aus dem Englischen „Light Transmitting Concrete“ abgeleitet ist, selbst her. Der Schlüssel zum Licht sind eingearbeitete Glasfasern. Die meisten bringen diese wohl eher mit Datenautobahnen in Verbindung. In Kombination mit Beton leiten Glasfasern aber noch etwas ganze anderes: Licht. In parallelen Strängen im Feinbetonbett angeordnet, führt die Glasfaser das Licht durch den Beton hindurch und macht ihn damit in etwa so durchsichtig wie Reispapier. Selbst bei einer Betonstärke von einem Meter bleibt die Menge an Licht, die durch den Beton geleitet wird, konstant, da die Fasern mit bis zu einer Länge von 20 Metern keinen Lichtverlust garantieren. Je mehr Glasfasern eingesetzt und je dichter sie angeordnet werden, desto mehr Licht wird durch die Fasern transportiert und wieder nach außen abgegeben.

 

Es könnte nun den Anschein machen, dass lichtleitender Beton nur zu Dekorationszwecken, für Raumteiler oder Möbel zweckmäßig eingesetzt werden kann, da das reine Gemisch aus Glasfaser und Beton im ersten Moment keinen sonderlich stabilen Eindruck macht. Doch auch dafür haben clevere Köpfe inzwischen eine Lösung gefunden. Denn die Zugabe von 3D-Textilgewebe verleiht dem grauen Schwergewicht die nötige Tragfähigkeit und Stabilität. Damit steht auch dem Einsatz im Fassaden- und Außenbereich oder als tragendes Element nichts im Weg. Somit ist sowohl tagsüber als auch nachts für tolle Licht- und Schattenspiele gesorgt, die Beton plötzlich gar nicht mehr so robust und kühl wirken lassen. Und wer weiß: Vielleicht bietet dieser neue alte Baustoff der guten alten „Platte“ ein völlig ungeahntes Comeback. 

 

In die Zukunft geblickt:

Apropos Glasfaser – die Tatsache, dass auf dieser Faser nun neben Daten auch Licht durch Beton geleitet werden kann, bringt uns dazu, das Ganze noch ein wenig weiter zu spinnen. Denn vielleicht kommt neben dem Licht auch schon ganz bald Videotelefonie oder ähnliches auf und in den Beton und plötzlich nimmt das sonntägliche Gespräch mit Oma im wahrsten Sinne des Wortes ganz neue Dimensionen an. In Zeiten, in denen es an jeder Ecke nur so vor smarten Errungenschaften sprüht und Smart Home zum guten Ton gehört, scheint die Idee von einer smarten Betonwand irgendwie auch nur einen Steinwurf entfernt zu sein. Eine Sache, die man durchaus mal weiter denken kann, wie wir finden. Denn wer es schafft, Beton leicht aussehen zu lassen, schafft sicherlich auch das.

 

Foto: Flickr/Forgemind ArchiMedia
 
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